Sparhaushalte sind Gift für die nachwachsende Generation
Der Entwurf des Bundeshaushaltes 2024 sieht umfassende Kürzungen vor. Damit stehen nicht nur zentrale politische Projekte wie die Kindergrundsicherung auf der Kippe. Besonders betroffen ist auch die Kinder- und Jugendpolitik und hier das bundeszentrale Steuerungsinstrument Kinder- und Jugendplan (KJP). Durch diesen wird Jugendsozialarbeit ebenso gefördert wie die selbstorganisierte Jugendverbandsarbeit. Für die konkrete Arbeit vor Ort sind die durch den KJP geförderten bundeszentralen Infrastrukturen von immenser Bedeutung. Sie vernetzen überregional, vertreten politische Interessen junger Menschen und machen konkrete Angebote erlebbar. Gekürzt wird parallel aber auch in vielen Landes- und Kommunalhaushalten und mit diesen Kürzungen leiden die Angebote der Jugend- und Familienarbeit vor Ort. Das trifft auch nicht kommerzielle Jugendbildungsstätten und Erholungseinrichtungen. Das lässt nach Corona, Krieg, und Inflationskrise Böses für die Zukunft der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland erwarten. Nach Jahren der Nullrunden und geringen Aufwüchsen gehen die geplanten Kürzungen an die Substanz dringend gebrauchter Angebote.
Kürzungen überall!
Seit Jahren erleben wir direkte und indirekte Kürzungen in der Kinder- und Jugendhilfe auf allen Ebenen. Der Sanierungsstau bei Einrichtungen für junge Menschen nimmt zu, Entfaltungsräume werden weniger. Und abseits der Jugendhilfe verfallen Schwimmbäder, Musikschulen leiden wie die Jugendkulturarbeit oder Bibliotheken. Auch das Bildungssystem steckt in einer tiefen Krise. Damit werden jungen Menschen Chancen geraubt. Besonders trifft dies aber Kinder aus armen Familien, denn diese sind auf öffentliche und frei zugängliche Angebote dringend angewiesen. Besonders zynisch auch in diesem Zusammenhang das Gerede neoliberaler und konservativer Politiker:innen vom Aufstieg durch Bildung, die gleichzeitig durch sie kaputtgespart wird.
Aufwachsen in Krisenzeiten
Kinder und Jugendliche erleben multiple Krisen, ihr Aufwachsen ist mehr und mehr von Unsicherheiten geprägt. Kinder- und Jugendarmut haben erneut zugenommen, 2022 waren 21,7 Prozent aller unter 18-Jährigen armutsgefährdet bzw. -betroffen. Corona mit geschlossenen Schulen und Freizeitangeboten war ein massiver Einschnitt, gerade in der Anfangszeit wurden Kinder mit ihren Familien mit den Corona-Verordnungen und Ausgehverboten zu Hause eingesperrt und haben viele Familien in tiefe Krisen gestürzt. Der Bedarf an Unterstützung wuchs auf allen Feldern. Der Ukraine-Krieg ließ Corona in Vergessenheit geraten. Er vergrößerte nicht nur die Ängste und Sorgen, viele Ukrainer:innen und hierunter viele Kinder und Jugendliche suchten Zuflucht und Unterstützung. Wachsende Unterstützungsbedarfe auf vielen Feldern stießen zusehends auf einen zunehmenden Fachkräftemangel.
Die Jugendämter sind chronisch unterbesetzt. Parallel nimmt die Belastung von Beschäftigten und Fachkräften zu. Kitas, aber auch familienunterstützende Systeme und Wohngruppen sind kurz vor dem Kollabieren. Familien werden mit diesem Problem zu oft allein gelassen. Vor diesem Hintergrund Kürzungen vorzunehmen, ist unverantwortlich. Stattdessen braucht es eine bedarfsgerechte Finanzierung inklusive eines Inflationsausgleichs. Einrichtungen und Angebote der Jugendhilfe müssen jungen Menschen Stabilität und Kontinuität für ein gutes Aufwachsen bieten. Das geht nur, wenn diese selbst gesichert sind. Junge Menschen und Beschäftigte brauchen dringend wieder Perspektiven.
Gemeinsam Druck machen!
Der Kürzungshaushalt der Bundesregierung hat vielerorts für Entsetzen gesorgt. Davon zeugen neben Protestschreiben lokale Bündnisse, die zu Demonstrationen aufgerufen haben. Der bundesweite Protesttag in Berlin am 20. September 2023 gegen die geplanten Kürzungen im KJP und an den Freiwilligendiensten im Bundeshaushalt haben Bewegung in die Politik gebracht. Zumindest die Förderung der Jugendverbandsarbeit wird 2024 in gleicher Höhe fortgeführt. Mit beachtlichen Protesten in Berliner Bezirken und gegenüber dem Berliner Senat konnten Kürzungen in Berlin teilweise abgewendet werden. Hier sollte beispielsweise die kulturelle Jugendbildung auf null gesetzt werden. Auch in Chemnitz konnte Anfang des Jahres durch breiten Protest Schlimmeres verhindert werden. In Sachsen-Anhalt standen die Jugendverbände auf der Straße, weil sowohl ihre Jugendbildungsreferent:innen als auch die Bildungsmaßnahmen deutlich unterfinanziert sind. Eine lang angekündigte Überarbeitung der Richtlinie dafür scheiterte bis dato an der Unterschrift des Finanzministers. Das zeigt: Druck wirkt!
Dazu gratulieren wir den Akteur:innen. Eine Rücknahme der Kürzung für ein Haushaltsjahr reicht aber nicht aus. Der Druck muss aufrechterhalten werden, damit auch die anderen Kürzungen zurückgenommen und vor allem Perspektiven für die Zukunft geschaffen werden. Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten
Wir fordern den Bund auf, mit gutem Beispiel voranzugehen und für eine gute Ausfinanzierung der Kinder- und Jugendpolitik zu sorgen. Die Haushaltsberatungen sind noch nicht abgeschlossen, ein Nachsteuern ist noch möglich.
Wir fordern den Bund auf, seine umfassenden Kürzungspläne zurückzunehmen, einen Inflationsausgleich vorzunehmen und ein bundesweites Investitionsprogramm einzurichten, um den Sanierungsstau in Kinder- und Jugendeinrichtungen aufzulösen und neue Angebote zu schaffen.
Wir fordern die Länder auf, statt zu kürzen, Maßnahmen zur Stärkung der Kinder- und Jugendhilfe zu unternehmen sowie mit einer zukunftsweisenden Kinder- und Jugendpolitik nachhaltige Perspektiven zu schaffen.
Wir fordern die Kommunen auf, auf ihrer Ebene alles Mögliche und Notwendige zu unternehmen, um die örtlichen Strukturen nachhaltig zu sichern, (wo nötig) auszubauen, personell und materiell besser auszustatten und schnellstmöglich barrierefreie Zugänge zu schaffen. Kinder und Jugendliche sind an der kommunalen Jugendhilfeplanung verbindlich zu beteiligen. Sie müssen als Experten ihrer selbst ernstgenommen werden.
Artikel wurde am 14. Juni 2025 gedruckt. Die aktuelle Version gibt es unter https://bag-kindheitundjugend.de/stellungnahme/2023/sparhaushalte-sind-gift-fur-die-nachwachsende-generation/.